Kultur

Andri Stadler

Andri Stadler

Es gibt zwei Extreme in der Fotografie: Ein rechteckiges dunkles Feld, in das alle Zeichen und Mutmassungen abgesunken, unerkennbar, unverstehbar versunken sind. Ein rechteckiges weisses Feld, in dem jedes Zeichen von grellem Licht überblendet und so quasi ausradiert ist. Andri Stadler arbeitet mit beiden Extremformen.

Betritt man den Ausstellungsraum, dann begegnet man einem grossen, vertikalen schwarzen Feld, das den Blick des Betrachters ansaugt, ja aufsaugt, aber ohne auf Anhieb viel preiszugegeben. Die dunkle Fläche scheint fast in der Architektur zu versinken, weil sie ungerahmt und nicht aufgezogen direkt an die Wand gehängt ist, sich also kaum davon abhebt. Beim Nähergehen spiegeln die Flächen, reflektiert das Raumlicht, das von aussen einfallende Licht, sie werden zu einer Art düsterem Lichtspiegel, aber sie verweigern weiterhin fast jede Information. Erst direkt davor, in Nahsicht tauchen aus dem Dunkel Formen und Zeichen auf, eine Landschaft, das Licht des Mondscheins vielleicht; Verlaufsformen erheben sich langsam ins Blickfeld und geben sich, ganz knapp nur und andeutungsweise, zu erkennen.

Ums Eck zeigt Andri Stadler zum ersten Mal ein Video. Luftigleicht kommt es daher. Ein leeres weisses Heft liegt auf dem Boden, auf den Seiten nur das feine Schattenspiel der umgebenden Bäume, gleichsam hellen, fast im Weiss verschwindenden Zeichen, die Seiten zufällig durchgeblättert durch einen sanften Wind. Der Wind blättert also nicht nur ein leeres weisse Heft durch, sondern scheint auch die Lesbarkeit und Festset- zung möglicher Zeichen zu verunmöglichen, zu verwischen, zu überblenden.

Andri Stadlers Fotografie und das Video spielen mit ihrer eigenen Auflösung, mit dem Auflösen von klaren, bestimmten, les- und verstehbaren Zeichen der Welt, die Fotografie üblicherweise abbildet. Diese Verweis- zeichen auf die Wirklichkeit, auf die Welt versinken im Dunkel oder Verlöschen im Weiss. Die Schärfe der Gewissheit weicht einem Feld der Ahnung, der Ungewissheit, der Unsicherheit, der eigenen Suche. Die Jury folgt Andri Stadler auf diesem Weg in die Abstraktion. Zuviel oder zuwenig Licht löst die beschreibende Schärfe der Zeichen auf. Wir werden auf uns selbst zurückgeworfen.


2015

Freie Kunst

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