Verena Stössingers Roman "Gudrun, Schwester" gehört zu den im Umkreis der Frauenbewegung entstandenen Büchern, die mit von gegenwärtigen Erfahrungen geschärftem Auge die Frauenfiguren des Mythos und der Sage neu betrachten.
Zu diesem Zweck konfrontiert die Autorin eine das heutige Island bereisende Touristin, die Erzählerin, mit der Gudrun-Geschichte. Reise und Lebenserfahrung der Erzählerin finden ein Echo in den altnordischen Geschichten von Liebe und tödlichem Hass. In ihrem Anspruch auf ein von ihr selbst bestimmtes Leben und in ihrem Aufbegehren gegen die von einer Männergesellschaft eingerichteten Ordnung wird die Gudrun der alten Sage für die Erzählerin zu einer schwesterlichen Figur.